Die Tierwelt in Gipssteinbrüchen – Teil 1

grosser_feuerfalterDie Diskussion um den Gipsabbau findet gerade auch hier im Südharz meist unter dem Aspekt vorübergehender optischer Schädigung der Natur statt. Tatsächlich aber sind Gipssteinbrüche schon während des Abbaus, besonders aber nach ihrer Rekultivierung, wertvolle Lebensräume – für Tiere ebenso wie für Pflanzen. Schließlich tragen beide zur Artenvielfalt (Biodiversität), bei und gehen zum Beispiel im Rahmen der Berichterstattung zur Umwelt und nachhaltigen Entwicklung in das Umweltbarometer des Umweltbundesamtes ein.

Die in diesem Zusammenhang entstehenden Pflanzenbiotope sind immer wieder Gegenstand naturkundlicher Beobachtung gewesen. Seltener betrachtet man die Tierarten, die in den Gipssteinbrüchen ansiedeln und einen idealen Lebensraum vorfinden. Die Voraussetzungen, sich der Tierwelt zu nähern, sind jedoch von speziellen Randbedingungen geprägt: Kann man mithilfe der Pflanzenarten gute Aussagen zum Zustand eines Steinbruches bekommen, so ist dies bei Tierarten, insbesondere bei solchen mit hoher Mobilität, weitaus schwieriger, und man ist viel mehr auf Zufallsbeobachtungen oder langfristige Untersuchungen angewiesen. Die folgenden Darstellungen – die eine ganze Serie ergeben werden – sind Produkt des Zusammenwirkens der abbauenden Werke mit ehrenamtlichen Naturschützern, die vor allem am Artenschutz und nicht an politischer Diskussion interessiert sind. Dabei hat sich gezeigt, dass betriebene und aufgelassene Steinbrüche eine große Artenvielfalt und immer auch ausgesprochen seltene Bewohner beherbergen können, die in der übrigen Kulturlandschaft nur noch wenige geeignete Lebensräume finden.

Deutlich wird dabei, dass Gipssteinbrüche auch von vielen im europäischen Naturschutzkonzept „Natura 2000“ (FFH-Richtlinie, Vogelschutzrichtlinie) erfassten Tierarten mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen wie Ernährung, Fortpflanzung oder Überwinterung eingenommen werden. Die im Steinbruch zweifelsohne auch vorhandenen Störungen (Sprengungen, Brechen des Gesteins, Aufladung und Abtransport) werden toleriert, zum Teil aufgrund besserer biotischer, klimatischer und geologischer Randbedingungen. Zugleich werden viele diffuse Störungen aus dem übrigen Kulturraum, wie beispielsweise durch Besiedlung und Verkehr, mit der Folge von andauerndem Lärm, großflächiger Versiegelung, permanenter Feinstaubbelastung oder weiteren Effekten in dem durch Steilwände relativ abgegrenzten, von Hecken und Bäumen umwachsenen und durch viele Kleinbiotope reich diversifizierten Steinbruch letztendlich weniger wirksam.

Man kann einzelne Tierarten nicht speziellen Steinbrüchen zuordnen. Gerade viele Tierarten sind auch von Sammlern bedroht oder reagieren empfindlich auf nicht gewohnte Beeinträchtigungen. Für alle betriebenen und viele aufgelassene Steinbrüche gilt deshalb sinnvollerweise ein Betretungsverbot für Betriebsfremde, auch aus Gründen der Sicherheit, das letztendlich auch dem Artenerhalt nutzt.

In Deutschland gibt es rund 70 betriebene Steinbrüche (und 10 Untertagegruben), in denen Gips gewonnen wird. Dort, wo der Steinbruch entsteht, weichen die uns bekannten Lebensräume der Kulturlandschaft einer steinigen, oft schroffen Oberfläche. Für uns Menschen erscheinen diese Bereiche eher lebensfeindlich – doch Gipssteinbrüche beherbergen mannigfaltige Lebensräume für eine ebenso vielfältige, häufig spezialisierte Tierwelt.

Solche Artenvielfalt war vor etwa einem Jahrhundert noch in der gesamten Landschaft verbreitet. Der kulturhistorische Wandel innerhalb der Landnutzung führte aber
• von der Drei-Felder-Wirtschaft mit Brachestadien zu dreimaligen Ernten auf großen, maschinell entkrauteten Ackerschlägen,
• von mäandrierenden Flusstälern mit Frühjahrsüberschwemmung zu begradigten Flüssen in drainierten Flusstälern,
• von vielen kleinen Weihern zu großen Fischfarmen,
• von bewachsenen, geschotterten Wegen zu Asphaltstraßen,
• von weiten Schaf-, Ziegen- und Rinderweiden zu Intensivgrünland und Stallhaltung,
• von Feuchtwiesen zu trocken gelegtem, produktionsstarkem Grünland.

Die zunehmende Nutzungsintensität führte zu einem deutlichen und teils besorgniserregenden Artenrückgang.Landschaft ändert sich auch heute noch permanent durch Nutzungswandel. Viele kleine Restflächen wie Hohlwege oder geschotterte Lager- und Fahrflächen sind verschwunden oder werden durch maschinellen Einsatz „mitgepflegt“. Eine Vereinheitlichung der Nutzung führt aber auch unweigerlich zu einer Vereinheitlichung der Lebensräume, was schließlich in einer Verarmung der Landschaft mündet. Daher kommt allen Flächen, die so genannte extreme Lebensräume beherbergen, gerade für die seltenen, im Rückgang befindlichen Spezialisten unter den Tier- und Pflanzenarten eine wichtige Rolle in der Natur zu. Steinbrüche – ob aufgelassen oder noch im Abbau befindlich – haben durch ihre besonderen Lebensräume eine steigende Bedeutung als Rückzugsräume für bedrohte Tiere und Pflanzen.

Lesen Sie die nächste Folge: Lebensräume in Gipssteinbrüchen

Die Tierwelt in Gipssteinbrüchen – Teil 12021-10-17T16:20:31+02:00

Weniger Kohle, weniger REA-Gips

15 000 Menschen haben in Berlin am 25. April gegen die Pläne von Bundeswirtschafts- und -energieminister Siegmar Gabriel protestiert, großflächig Braunkohlekraftwerke über erhöhte Abgaben aus dem Verkehr zu ziehen.

Die Pläne Gabriels gefährden nicht nur die Energieversorgung Deutschlands, wie dies die Bundesregierung mit ihrer katastrophalen Energiepolitik seit langem tut. Vielmehr geht mit der Schließung von Kohlekraftwerken der Gipsindustrie auch ein wichtiger Rohstoff verloren, der bisher den bergmännischen Naturgipsabbau entlastet hat: Der REA-Gips, also jener Gips, der durch chemische Umwandlung über Rauchgasentschwefelung gewonnen wird und der heute 55 Prozent des gesamten Gipsaufkommens ausmacht.

Wenn Gabriels Pläne wahr werden, sinkt das REA-Gipsaufkommen dramatisch: Von gegenwärtig etwa 9,5 Mio t benötigten Calcium-Sulfat-Rohstoffen („Gips“) kommen 4,7 Mio t aus dem REA-Gips, also etwa 55 Prozent. Dieser Anteil wird schon bis 2020 auf höchstens 40 Prozent und bis 2050 auf 10 Prozent sinken. Da zur gleichen Zeit der Anteil aus schon einmal verwendeten Gips-Baustoffen, also recyceltem Gips, selbst bei größter Anstrengung nicht über die Grenze von 1 Mio t angehoben werden kann, erhöht sich der Druck auf die natürlichen Gipslagerstätten. Gabriels Vorhaben sind also ein Anschlag auf den nachhaltigen Umgang mit der Natur, um den sich die Gipsindustrie bemüht.

Das ist weder von der Gipsindustrie so gewollt noch von jenen, die am liebsten alle Gipssteinbrüche schließen würden. Es bleibt dann aber keine andere Wahl, als die Naturgipsgewinnung auszuweiten. Denn der Bedarf an Gipsprodukten – von der Bauplatte über Bodenestriche zu medizinischen Gipsen und solchen zur Lebensmittelverwendung – wird nicht geringer, und auch jeder Gipsgegner im Südharz hat zu Hause viel Gips verbaut.

Die Gewerkschaften IG BCE und ver.di hatten daher flächendeckend zur Demonstration gegen die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) aufgerufen. Viele Unternehmen unterstützen die Proteste, die andauern werden.

Das Eckpunktepapier von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wird derzeit ausgiebig diskutiert und kritisiert – in der Politik und in den Medien, in den betroffenen Regionen. Der Plan sieht vor, bis zum Jahr 2020 zusätzliche CO2-Emissionen in Höhe von 22 Millionen Tonnen einzusparen, damit die Bundesregierung das selbstgesteckte Klimaschutzziel erreichen kann.

Die Berliner Pläne würden, so geht aus unabhängigen Berechnungen und Gutachten hervor, enorme Strukturbrüche hervorrufen und fatale Auswirkungen auf Hunderttausende Arbeitsplätze haben. Denn in einem Domino-Effekt würden konventionelle Kraftwerke, Tagebaue und nachgelagerte Betriebe bei Partnerfirmen und Zulieferern schließen müssen, auch solche Produktionsstätten, die von REA-Gipsen abhängen.

Weniger Kohle, weniger REA-Gips2015-05-23T20:02:47+02:00

Hohe Hürden für Recycling-Gips

recycling-gipsAbbruchunternehmen haben in Deutschland viel zu tun. 2010 wurden insgesamt 186,5 Millionen Tonnen mineralischer Bauabfälle erfasst: Bauschutt, Straßenaufbruch, Baustellenabfälle, Boden und Steine – aber nur 0,3 Prozent davon (0,6 Millionen Tonnen) waren Bauabfälle auf Gipsbasis. Davon wiederum sind nur 0,3 Mio Tonnen recyclingfähig gewesen, tatsächlich ließen sich daraus am Ende 150 000 Tonnen Recycling-Gips (RC-Gips) gewinnen. Das ist wenig angesichts des deutschen Bedarfs an Gipsrohstoffen, der insgesamt 8 Millionen Tonnen beträgt. Die Gipsindustrie versucht vieles, um den Anteil an Recyclinggips zu steigern. Sie tut das schon deshalb, weil durch die Schließung von Kohlekraftwerken der Anteil von sogenanntem REA-Gips zurückgehen wird, also jener Gipsart, die man aus den Abgasen der Kohlekraftwerke gewinnen kann. Aber nicht nur als Rohstoffquelle ist Recycling-Rips interessant, es geht auch um die Nachhaltigkeit des Baustoffes Gips, der durch einen höheren Anteil an Recycling-Gips gewinnen würde.

Zugleich käme man den umweltpolitischen Zielsetzungen der EU entgegen, die eine nachhaltige Recycling-Gesellschaft bei allen Rohstoffen anstrebt. Die EU möchte daher der Wiederverwendung und dem Recycling eine wesentlich höhere Priorität einräumen (siehe: KOM (2011) 571:“Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“, 20.9.2011). Ab 2020 sollen Abfälle daher als Ressource bewirtschaftet werden. Die EU will auch die Entwicklung funktionierender Märkte für Sekundärrohstoffe vorantreiben und strebt eine Sulfatreduktion in RC-Baustoffen an. Das bedeutet, noch vorhandene Barrieren für das Gipsrecycling abzubauen. So wird bisher die Abfallhierarchie nicht ausreichend beachtet, es gibt zu verlockende alternative Verwertung- und Beseitigungswege von Bauabfällen auf Gipsbasis (Verfügung und Abdeckung von Kalihalden, Deponie). Auch braucht der recycelte Gips eine amtliche Bestätigung, dass er nicht mehr Abfall ist – nur dann kann er als Produkt wieder in den Warenkreislauf gebracht werden. Das ist im § 5 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geregelt: Das Ende der Abfalleigenschaft ist danach erst erreicht, wenn der Stoff oder Gegenstand ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat und (a) üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet wird, (b) ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht, (c) er alle für seine jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbare Normen für Erzeugnisse erfüllt und schließlich (d) seine Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt.

Und schließlich muss beendet werden, dass die Bauabfälle mit EU-Segen jetzt noch kostengünstig ins Ausland verbracht werden können.

Für Deutschland bedeutet das: Man braucht die Festlegung einheitlicher Qualitätsanforderungen; der Produktstatus für RC-Gips muss amtlich gesichert werden; und für die gesamte deutsche Gipsindustrie sind einheitliche Regelungen notwendig. Vor allem aber müssen sich Abbruchunternehmen und Recycling-Unternehmen dazu bereit finden, diesen Weg konsequent mitzugehen: Sammeln, Aufbereitung, Recycling-Gipsherstellung und Anlieferung an die Gipswerke, damit dort wieder ein neues Produkt daraus entstehen kann. Leicht ist das nicht, da es auf eine sortenreine Sammlung ankommt, also die weitgehende Abtrennung des Papiers vom Gipskern sowie die Abtrennung weiterer Störstoffe, da ansonsten die Weiterverarbeitung in der notwendigen Qualität nicht gelingen kann. Man sieht: Die Gipsindustrie alleine kann das Problem nicht lösen, sie braucht die Zusammenarbeit mit den Abbruchunternehmen, der Entsorgungswirtschaft und dem Gesetzgeber. Sie ist an einer Verbesserung der Recycling-Quote aber zum Zweck der Entlastung des Naturgips-Abbaus höchst interessiert, wenn man auch realistisch sehen muss, dass auch bei bester Ausnutzung der RC-Gips-Möglichkeiten die Steigerung des Naturgips-Abbaus unvermeidlich sein wird.

Hohe Hürden für Recycling-Gips2021-10-17T16:20:31+02:00

Sind 1000 Arbeitsplätze der Politik gleichgültig?

Wenn über den Gipsabbau im Harz diskutiert wird, haben Emotionen die Oberhand. Es wird kaum erwähnt, dass die Gipsabbaustätten sorgfältig wieder der Natur zurückgeführt werden. Auch nicht, dass sie keine bleibenden Umweltschäden anrichten. Auch nicht, dass sie eine lange, jahrtausendealte Tradition im Südharz haben, und dass die Produkte für unser Leben alltäglich und wichtig sind.

In einem solchen Klima geht auch die wirtschaftliche Bedeutung der Gipsindustrie rund um Nordhausen unter. 330 Menschen arbeiten dort bei den Unternehmen Knauf, Casea und Formula in der Gipsverarbeitung. Sie beziehen alle Tariflohn, was man für die Arbeitsplätze im Kreis nicht allgemein sagen kann. Die durchschnittliche Lohnsumme beträgt 35 000 Euro pro Jahr, das macht 11,5 Millionen Euro pro Jahr an Lohnsumme. Jeder direkte Arbeitsplatz generiert nach aller Erfahrung zwei weitere Arbeitsplätze: also nochmals 660 Arbeitsplätze und zusätzliche 22 Millionen Euro an Lohnsumme. Unterm Strich leben also (mindestens) 1000 Menschen in der Region vom Gipsabbau, und ihre Löhne und Gehälter in Höhe von 35 Millionen Euro sind ein wichtiger Faktor des Wirtschaftslebens in und um Nordhausen und auch des Steueraufkommens. Und in dieser Rechnung fehlen noch die vielen Arbeitsplätze, die von den Investitionen und den Ausgaben für Wert- und Instandhaltung der Produktionsanlagen abhängig sind, die die Gipsunternehmen jedes Jahr vorzugsweise ortsnah in Auftrag geben.

Der Gipsabbau ist also eine vernünftige, naturschonende und für alle vorteilhafte Rohstoffgewinnung – eine win-win-Situation, die sich bei gutem Willen aller auch im Konsens organisieren und an manchen Stellen sicher auch verbessern ließe. Statt dessen werden jene Politiker, die sich (wie etwa Ministerpräsident Ramelow oder MdL Egon Primas) für den Weg des Konsenses und des Gespräches aussprechen (eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Berufspolitiker), verunglimpft. Erstaunlicherweise machen bei solchem Bashing auch  Politiker-Kollegen  mit und diffamieren die Gesprächsbereiten unter ihnen. Das ist eine Debatte ohne Rücksicht auf Menschen, ihre Arbeitsplätze, ohne Rücksicht auf Verluste in den (leeren) Kassen, auch ohne Rücksicht auf die Natur, die mit gemeinsamen Anstrengungen noch viel mehr gewinnen könnte, wie etwa am Kohnstein. Es ist Zeit, dass die destruktive Debatte ein Ende findet und alle sich an einen Tisch setzen, um  und über Lösungen sprechen. Denn Natur und Gipsabbau, auch Tourismus und Gipsabbau, sind keine Gegensätze.

Sind 1000 Arbeitsplätze der Politik gleichgültig?2015-04-08T08:25:27+02:00

REA-Gips, Recycling-Gips: Ersatz für Naturgips?

REA-Gipslager im Steinbruch Ellrich

REA-Gipslager im Steinbruch Ellrich

Die Diskussion um den Gipsabbau im Südharz hat eine Eigendynamik angenommen, die sich um Fakten kaum mehr schert. Beispielhaft deutlich wird das in der immer wieder vorgetragenen Behauptung, der Abbau von Naturgips ließe sich bei gutem Willen leicht durch die vermehrte Nutzung von Gips aus der Rauchgasentschwefelung (REA-Gips) oder durch aus Baumaßnahmen gewonnenen Recycling-Gips ersetzen.

So wünschenswert das wäre, so falsch ist es. Denn der REA-Gips wird nur in Kohlekraftwerken hergestellt. Die Hälfte des deutschen Gipsaufkommens stammt gegenwärtig von dort. Nun aber werden in Konsequenz der Energiewende die fossil befeuerten Kraftwerke immer weniger ausgelastet – und damit schwindet auch das REA-Gipsaufkommen. Untersuchungen, die das Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben hat, erwarten, dass der REA-Gips-Anteil an der Gipsversorgung von heute 55 Prozent bis 2050 auf 10 Prozent schrumpft.

Auch die Erwartungen an den Recycling-Gips sind unrealistisch. Zum einen lässt sich daraus nicht wieder der Grundstoff in seiner ursprünglichen Reinheit gewinnen. Zum anderen fehlt es noch an der Bereitschaft der Bauherren zur Beauftragung einer getrennten Sammlung und Entsorgung der Gipsabfälle und der Aufbau flächendeckender Erfassungs- und Sortierungssysteme ist technisch kompliziert und finanzaufwendig. Hinzu kommt, dass EU-Richtlinien gegenwärtig den preiswerten Export von Gipsabfällen in andere EU-Länder ermöglichen, sodass die Recyclingunternehmen an solchen „Rohstoff“ auch nur schwer herankommen. Heute beträgt der Recycling-Gipsanteil, den man bei der Herstellung von Gipsplatten nutzen kann, etwa 5 Prozent; selbst bei großen Anstrengungen wird er 2050 die 20-Prozent-Marke nicht übersteigen.

Deshalb rechnen die Experten mit einem Anstieg des Naturgipsanteils im deutschen Verbrauch von heute etwa 45 Prozent auf 70 Prozent bis zum Jahr 2050.

REA-Gips, Recycling-Gips: Ersatz für Naturgips?2021-10-17T16:20:32+02:00

Naturschutz und Gipsabbau – ein Widerspruch?

Rekultivierte Fläche

Rekultivierte Fläche

Die Gipsgewinnung im Tagebau stellt einen Eingriff in die Natur dar. Das bestreitet niemand. Insofern handelt es sich um einen Zielkonflikt zwischen unberührter Natur und einer sicheren heimischen Rohstoffversorgung, die für die Menschen von großer Bedeutung ist. Im Falle des Gipsabbaus kommt hinzu, dass der Eingriff letztlich nicht landschaftsverbrauchend ist (wie etwa jedes neue Baugebiet), sondern nur umgestaltend – und er an der Natur auch keine dauerhaften Schäden hinterlässt. Dazu bedarf es freilich in der Produktion und der Nachsorge eines nachhaltigen Denkens.

Auch Umweltverbände sind – sofern verantwortungsbewusst – an einer sicheren Rohstoffversorgung interessiert und kümmern sich deshalb vor allem um die Frage einer nachhaltigen Rohstoffgewinnung und eines nachhaltig vernünftigen Umgangs mit der Natur. Das führte im Jahr 2004 zu einer Vereinbarung zwischen den Umweltverbänden und der Natur, der sogenannten „Gemeinsamen Erklärung“. („Rohstoffnutzung in Deutschland“, NABU, BBS, IGBCE, IGBAU). Darin wird vereinbart, Rohstoffversorgung und –sicherung nachhaltig zu gestalten. Daneben soll der Abbau mineralischer Rohstoffe umwelt- und ressourcenschonend – unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange – erfolgen.

Die gipsabbauenden Unternehmen auch in dieser Region – Knauf, Casea, Formula – halten sich daran. Sie bemühen sich um schonenden Abbau, um sukzessive Rekultivierung und um Renaturierung, damit aus den verlassenen Abbaugebieten wieder biologisch wertvolle Lebensräume werden, wie dies ja auch im Harz oft eindrucksvoll gelungen ist. Sie arbeiten hier mit Fachbehörden und Fachleuten zusammen. Und wo es Verbesserungsbedarf gibt, sind die Unternehmen am Gespräch auch mit den Umweltverbänden sehr interessiert und werden entsprechende Gesprächskontakte suchen.

Naturschutz und Gipsabbau – ein Widerspruch?2021-10-17T16:20:32+02:00

Mehr REA-, mehr Recycling-Gips: Das tun die Firmen vor Ort

Firma CASEA:

In 2013 ist im Gipswerk Ellrich (Casea) die Anlage zur Produktion von Alpha Halbhydrat mit einem Investitionsvolumen von 500.000 € umgerüstet worden. 20.000 Tonnen jährlich mit steigender Prognose werden mit dieser Maßnahme an Naturgips eingespart und durch REA-Gips aus dem Kraftwerk Lippendorf (Leipzig) ersetzt. Das Produkt wird zur Herstellung von eigenen Fußbodenprodukten und zur Herstellung von Gipsplatten beim Kunden verwendet. Eine Umstellung auf REA-Gips war hier qualitativ möglich und wurde in enger Zusammenarbeit mit den Kunden abgestimmt.

Die Firma MUEG (Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgungs GmbH) betreibt in Großpösna die erste deutsche Gipsrecyclinganlage seit 2014.Die MUEG ist wie Casea ein Tochterunternehmen von REMONDIS). Die Gesamtmengen von den geplanten 40.000 Jahrestonnen werden derzeit komplett von der Casea übernommen und im Gipswerk Dorste und Lünen in der Produktion eingesetzt. Eine Vermarktung als „casubase“ ist auch an andere Gipsunternehmen geplant. Ein Einsatz in Ellrich scheitert derzeit an der Qualität, im April 2015 sind weitere Versuche dazu geplant.

 

Firma Knauf:

Knauf hat am Standort Rottleberode technisch die Möglichkeit, auch REA-Gips einzusetzen. Die REA-Gips-Kontingente, die der Knauf-Gruppe zur Verfügung stehen, werden allerdings an anderen Standorten benötigt und eingesetzt.

Für den Standort Rottleberode befindet sich eine Gipsrecycling-Anlage in Planung. Vorgesehen ist, mit der Inbetriebnahme der neuen Gipsfaserplatten-Anlage 2016, eine Recyclingmöglichkeit für alle anfallenden Gips-Produktionsabgänge (Gipsbauplatten, Gipsputze, Gipsfaserplatten) zu installieren. Die geplante Kapazität beträgt ca. 45.000 Tonnen/Jahr.

Mehr REA-, mehr Recycling-Gips: Das tun die Firmen vor Ort2015-03-24T10:11:30+02:00

Renaturierung – wie funktioniert das?

Nach dem Abbau des Gipsgesteins und bevor der Abbau auf einer neuen Fläche beginnt, steht das Wiederherstellen der Landschaft an oberster Stelle. Unterschieden wird zwischen der „Renaturierung“, der Vorbereitung für die Entwicklung natürlicher Lebensräume, und der „Rekultivierung“, wo die wirtschaftliche Nutzbarmachung für Forst oder Landwirtschaft im Vordergrund steht. Der Anteil der Renaturierung wird vorab mit den Flächenbesitzern abgestimmt und vor Abbau in der Genehmigung festgelegt, zusammen mit allen Beteiligten (Behörden, Bergamt, Untere Naturschutzbehörde etc.). Sämtliche Renaturierungsverpflichtungen sind durch Bankbürgschaften finanziell abgesichert.

Dazu zählen beispielsweise die naturnahe Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft, also die Wiedereingliederung der Bergbauflächen in das natürliche Umfeld, Aufforstungen und die Gestaltung von Sonderbiotopen.

Wenn naturschonender Abbaus und hochwertige Renaturierung konsequent durchgeführt werden, wozu sich die Gips-Firmen der Region verpflichtet sehen, ist eine unangemessene Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ebenso auszu­schließen wie eine Wertminderung von Flächen und Immobilien in der Region.

Ein Beispiel

Ein Beispiel ist der Lohofsche Bruch. Nach 30 Jahren Gipsabbau bepflanzte Saint-Gobain Formula die Randbereiche des ehemaligen Steinbruchs und führte eine Modellierung des Geländes durch. So entstanden landschaftstypische Nachbil­dungen von Karsterscheinungen wie Steilwände, Abbruchkanten und Senken. In Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Osterode wurde die rund 3 Hektar große Fläche der Natur überlassen.

Seit 2000 hat sich der Lohofsche Bruch zu einem wertvollen Lebensraum ent­wickelt. 32 verschiedene Tagfalterarten haben sich in diesem Gebiet angesiedelt. Darunter sind 11 in der Roten Liste Niedersachsen aufgeführt. Das reiche Blü­tenangebot bildet eine ideale Nahrung für die Raupen der Schmetterlinge. Der­artige Standorte sind in der unberührten Natur nur an den Ufern und Abbruch­kanten unbegradigter Flüsse zu finden.

Die hohe Wertigkeit dieser Fläche drückt sich ebenfalls durch die Einbeziehung in das Naturschutzgebiet aus.

Ein Beispiel für das Minimierungsgebot ist der von der Firma Knauf angestrebte Flächentausch. Es wird geprüft, ob durch die Veränderung des genehmigten Flächenzuschnittes die für die Gipsgewinnung notwendigen Eingriffe verringert werden können.

Renaturierung – wie funktioniert das?2015-03-27T12:20:16+02:00
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