Schaut man sich im Südharz die genehmigten Flächen zum Abbau von Naturgips an, so könnte man denken: „Warum will die Gipsindustrie noch weitere Flächen genehmigt bekommen? Die Unternehmen haben doch schon so viele Flächen, auf denen sie Gips abbauen dürfen. Reichen die nicht?“

Die einfache Antwort darauf ist: „Nein.“ Und die Begründung dafür: „Gips ist nicht gleich Gips.“

Denn: Wer sich etwas länger mit dem Thema Naturgips beschäftigt, stößt schon bald auf die Begriffe Dihydrat und Anhydrit. Beides sind natürliche Gipsarten – und doch unterscheiden sie sich fundamental.

Das so genannte Dihydrat (CaSO4 – 2 H2O), der eigentliche Gips, entsteht ähnlich wie Salz durch das Verdunsten von Wasser in einem abgeschnürten Meeresbecken oder Binnensee. Durch die zunehmende Überdeckung durch andere Gesteine wandelte sich dann der Gips (das Dihydrat) durch Entwässerung in das sog. Anhydrit (CaSO4) um.

Dihydrat und Anhydrit haben aufgrund des unterschiedlichen Wassergehalts sehr unterschiedliche Eigenschaften, die sich wiederum stark auf ihre industrielle Verwendbarkeit auswirken.

So ist das „wertvolle“ Dihydrat vielfach verwendbar. Unter anderem wird es in vielen verschiedenen Formen als Baustoff eingesetzt, wie z.B. für hochwertige Gipsplatten und Gipsputze. Da Gips bei relativ geringem Gewicht einen großen Feuerwiderstand bietet, wird Gips u.a. bevorzugt im baulichen Brandschutz verwendet. Den Schutz bewirkt das Kristallwasser des Dihydrats, das im Brandfall verdampft und auf der dem Brand zugewandten Seite einen schützenden Dampfschleier bildet.

Aber auch in der bildenden Kunst wird Gips gern und häufig genutzt, wie z.B. bei der Erstellung von Skulpturen sowie für Formen und Modelle. Solche vielfältigen Formen bzw. Modelle kommen unter anderem zum Brennen von Keramik (Geschirr) sowie beim Metallguss zur Anwendung.

Da Gips den gleichen pH-Wert und die gleiche Wärmeleitfähigkeit wie die menschliche Haut besitzt, bildet Gips zudem das ideale Material für ruhigstellende Verbände, z.B. bei Knochenbrüchen, oder für Dentalgipse bei der Anfertigung von Zahnmodellen. Hierfür sind jedoch besonders hohe Reinheitsgrade des Gipses notwendig, ähnlich wie beim Einsatz von Gips in der Landwirtschaft oder bei Lebensmitteln. So wird Gips u.a. zur Regulierung der Wasserhärte oder zur Vermeidung der Oxalattrübung beim Bierbrauen eingesetzt.

Während also das sogenannte Dihydrat, je nach Reinheitsgrad, sehr vielseitig verwendbar ist, kann Anhydrit nur sehr eingeschränkt verwendet werden, wie z.B. zur Herstellung von Anhydrit-Estrich und als Füllstoff für die Zementherstellung, die Bauchemie oder die Düngemittelindustrie.

Und was bedeutet das alles nun für den Gipsabbau im Südharz? Die Gipslagerstätten im Südharz sind zumeist Anhydrit-Vorkommen – die Dihydrat-Vorkommen sind hingegen sehr begrenzt, zumal mit einem hohen Reinheitsgrad (siehe hierzu Frage C.1. im Abschnitt „Fragen & Antworten“). Damit sind die bisher genehmigten Abbauflächen nur eingeschränkt für die Gipsproduktion der im Südharz tätigen Unternehmen (CASEA, Knauf, Saint-Gobain Formula) nutzbar. Die wenigen hochreinen Dihydrat-Lager befinden sich am Rüsselsee sowie in Woffleben (Abbau durch CASEA) sowie am Alten Stolberg (Abbau durch Knauf). Die Vorkommen am Rüsselsee sind aber in etwa sieben Jahren verbraucht. Deshalb muss sich CASEA im Sinne einer vorausschauenden betriebswirtschaftlichen Planung und in Verantwortung um die Rohstoffversorgung in Deutschland bereits jetzt Gedanken um mögliche weitere Abbauflächen machen, da die Firma vornehmlich Spezialgipse herstellt, die einen Dihydrat-Reinheitsgrad von mehr als 85 Prozent benötigen.

Hinzu kommt: Viele der dargestellten Verwendungsformen von Naturgips, insbesondere in der Lebensmittelindustrie, der Medizin oder der Landwirtschaft können weder durch REA-Gips noch durch Recycling-Gips ersetzt werden.