Knauf-RecyclingWie jede andere Hochschule, so muss auch die Nordhäuser Hochschule immer bemühter sein, neben den öffentlichen Geldern sogenannte Drittmittel einzuwerben. Die finden die Wissenschaftlicher vorzugsweise in Unternehmen. Wie zum Beispiel in Rottleberode…

Noch bis Oktober dieses Jahres sind die Hochschule und das Knauf-Werk in dem Südharz-Ort durch ein gemeinsames Forschungsprojekt verbunden. Es ist eine Win-Win-Situation, die Hochschule bekommt Geld, das Unternehmen zieht einen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen aus der Zusammenarbeit.

Ziel der Zusammenarbeit ist es, zu untersuchen, wie Material, das bei der Produktion von gipshaltigen Produkten anfällt, wieder dem Produktionsprozess zugeführt werden kann. Letztlich ist die Gipsindustrie im Allgemeinen und natürlich auch Knauf im Besonderen mit der Situation konfrontiert, dass im Jahr in Deutschland rund acht Millionen Tonnen Gips verarbeitet werden muss. Je zur Hälfte ist das Natur- und REA-Gips. Letzterer geht so langsam aber sicher zur Neige, eine Folge der Energiewende, die sich zu einem nicht unwesentlichen Teil auf das aus dem Abschalten von Kohlekraftwerken stützt ergibt. Ohne Kohlekraftwerke also keine nennenswerten Mengen REA-Gips.

Eingebunden in das Spitzencluster „BioEconomy“ wurden als erster Schritt die vorhandenen Massenströme und die dabei anfallenden Reststoffe der beteiligten Cluster-Mitglieder betrachtet. Mengenströme wie sie beispielsweise im Knauf-Werk in Rottleberode von der Gewinnung des Rohsteins im Tagebau bis zum Endprodukt anfallen. Es wurden aber auch Mengenströme aus der in Rottleberode benachbarten Holzindustrie analysiert, um deren Potenzial zur Wiederverwertung einzuschätzen.

Vor allem aber wurde untersucht, ob es in diesen Strömen zur Einlagerung von gefährlichen Inhaltsstoffen kommt. Ableitend aus den Ergebnissen konzentrierten sich die Forschungsarbeiten auf das Wiederverwertungspotenzial der Reststoffe aus der Gipsplatten- und zukünftigen Gipsfaserplattenproduktion des Knauf-Werkes.

In aufwändigen Versuchsreihen, die mit dem Kooperationspartner im Werk in Rottleberode vorbereitet, in den Laboren der Hochschule Nordhausen Testreihen durchliefen und aber auch in einem großtechnischen Versuch bei der UVR-FIA GmbH in der Bergakademie Freiberg unter produktionsnahen Bedingungen umgesetzt wurden, galt es, Mengenströme, aber auch die Umsetzbarkeit des Vorhabens unter Beweis zu stellen untersucht.

Das bisherige Ergebnis kann sich sehen lassen: 90 Prozent der Produktionsabfälle, die in Rottleberode zum Beispiel bei der Gipsplatten- und Gipsfaserplattenherstellung anfallen, können direkt dem eigentlichen Produktionsprozess wieder zugeführt werden. 10 Prozent werden als Zuschlagsstoff für ein neu entwickeltes Bodensubstrat genutzt, das für die unternehmenseigene Rekultivierung im Tagebaubereich eingesetzt werden kann. Zehn Prozent – das sind rund 2.000 Tonnen pro Jahr.

Die Zusammenarbeit mit der Hochschule in Nordhausen ist nun nahezu abgeschlossen. Was hat sie gebracht? “Wir haben mit dieser wissenschaftlichen Arbeit das Ergebnis, dass wir im Bereich der Produktion von Gipsfaserplatten einen nahezu geschlossenen Kreislauf erzeugen können. 100 Prozent der produktionsbedingten Abfälle erfahren eine Wiederverwertung und das bei Einhaltung aller vorgeschriebenen Grenzwerte”, bilanziert Werkleiter André Materlik im Gespräch mit der nnz.

Die Ergebnisse, die in Rottleberode und am Nordhäuser Weinberg gewonnen wurden, die können natürlich auch für andere Knaufwerke genutzt werden. Die Umsetzung soll – so die Vorstellung der Werkleitung im Südharz – hier vor Ort erfolgen. Schon im nächsten Jahr kann mit dem Aufbau einer entsprechenden Recycling-Anlage begonnen werden.

Aber auch das wird den Konflikt der gipsverarbeitenden Industrie mit dem Umwelt- und Naturschutz nicht lösen. Die Aussage von Naturschützern, das Recycling von Baustellenabfällen zum Beispiel würde den Einsatz von Naturgips schonen, ist so nicht nur bedingt haltbar. Im Jahr fallen in Deutschland derzeit rund 600.000 Tonnen gipshaltige Baustellenabfälle an. Davon sind rund 300.000 Tonnen möglicherweise wiederzuverwerten nach dem derzeitigen Stand der Technik wiederverwertbar. Diesen Mengen gegenüber stehen allerdings die 9.000.000 Tonnen an Gipsrohstoffen, die pro Jahr in Deutschland benötigt werden. Derzeitige Rohstoffquellen sind 40 % Gipsstein und 60% Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen.

Die vielfältigen Initiativen zum Einsatz von wiederverwertbaren Baustoffen seitens der Industrie sind zwar etwas mehr als ein Tropfen auf dem bekannten heißen Stein, sie werden jedoch nicht verhindern, dass in den kommenden Jahren der Anteil des eingesetzten Naturgipses in Deutschland rapide wieder ansteigen wird. Ein Lichtblick ist das in Rottleberode geplante Recyclingkonzept der anfallenden Reststoffe/Abgänge. Eine Überführung dieser Praxis durch den Gesetzgeber auf alle Gipsproduzenten in Deutschland, wie in anderen europäischen Ländern schon umgesetzt, hilft, die Ressourceneffizienz zu fokussieren und Ressourcenschonung mit Leben zu erfüllen.

(veröffentlich auf nnz-online.de, 14.8.2015)