Die Gipsindustrie in der Region Nordhausen hat sich daran gewöhnt, dass die öffentliche Debatte gegen sie meist polemisch und unter Vermeidung von Sachargumenten geführt wird. Jüngstes Beispiel ist die Reaktion auf die Ankündigung der CASEA GmbH in Ellrich, im Bergwerkseigentum „Rüdigsdorf/Winkelberg“ den Gipsabbau wieder aufzunehmen. Das notwendige bergrechtliche Verfahren dafür wurde in Gang gesetzt, weil sonst die Existenz des Spezialgipswerkes gefährdet ist.

Ein solches Verfahren dauert viele Monate, oft Jahre, und es beginnt im Bergrecht mit einem sogenannten „Scoping-Termin“, zu dem beim Landesbergamt das Vorhaben mit den zu beteiligenden Stellen und Organisationen erörtert wird. Anschließend legt das Bergamt fest, welche Untersuchungen zu führen sind, bevor der eigentliche Antrag vom Unternehmen eingereicht werden kann.

Rechtlich vorgeschrieben ist, dass nach diesem „Scoping-Termin“ auch die Öffentlichkeit frühzeitig zu unterrichten ist. Das kann auf verschiedene Weise geschehen, jedenfalls aber muss es frühzeitig sein. CASEA macht das am 27. November 2015, was angesichts der gesamten Verfahrensdauer tatsächlich sehr frühzeitig ist. Um es anders zu sagen: Frühzeitiger geht es nicht, was eine solche öffentliche Veranstaltung betrifft (die übrigens nur deshalb in Harztor stattfindet, weil es in Petersdorf geeignete Räume nicht gibt). Und informieren konnten sich Interessierte schon seit Frühjahr 2015 – seit die Seite www.naturgips-im-harz.de existiert.

Wenn also etwa ein Christian Marx gegen diesen Fachbegriff der „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ polemisiert, zeigt das nur, dass er das einschlägige Recht nicht kennt oder absichtsvoll missversteht und an sich nicht willig ist, sich auf faire Information einzulassen.

Ein anderes Beispiel: Die Öffentlichkeit wird von Gips-Gegnern auf facebook-Seiten dadurch erschreckt, dass man suggeriert, jedes neue Abbaufeld werde so aussehen wie der Kohnstein. Das ist natürlich blühender Unsinn. Keines der Unternehmen – CASEA, Knauf oder Formula – hat den Zustand am Kohnstein zu verantworten. Alle sind in ihren Abbaufeldern um sachgerechte und erfolgreiche Renaturierung bemüht, was an vielen Orten besichtigt werden kann. Schon das bestehende Naturschutzrecht, das zu Zeiten der DDR eben nicht vorhanden war, würde eine solche Renaturierung vorschreiben.

Dieses Bild des zu DDR-Zeiten rücksichtlos abgebauten Kohnsteins haben die Nordhäuser aber vor Augen, wenn sie jetzt durch Demoskopen gefragt wurden, ob sie gegen neue Abbaufelder sind. Kein Wunder, dass sich drei Viertel gegen neue Abbaufelder aussprachen. Gipsabbau geht heute anders, aus Gipssteinbrüchen werden durch intensive Renaturierung Biotope. Die Abbaufelder gehen komplett an die Natur zurück. Konstruktiv wäre, die Gipsgegner würden sich, gemeinsam mit den Gipsunternehmen, einmal Gedanken darüber machen, wie man den Kohnstein renaturieren könnte. CASEA, Knauf und auch Formula haben das Kohnstein-Desaster zwar nicht verschuldet, sind aber zu solchen Gesprächen bereit.

Die Umfrage zeigt aber noch etwas Interessantes: Als drängendstes Problem empfinden die Nordhäuser die finanzielle Lage ihrer Kommunen. Wenn das so ist, sollte man nicht mit der vorhandenen Polemik gegen die Gipsindustrie vorgehen, die zum wirtschaftlichen Wohlergehen im Südharz erheblich beiträgt.