SulfatgesteinDie auch im Südharz immer wieder aufgeworfene Frage, wozu man überhaupt Gips abbaut, soll hier nochmals kurz beantwortet werden. Sulfatgesteine, wie der kristallwasserhaltige Gips und der wasserlose Anhydrit, werden schon seit vielen Jahrhunderten im Handwerk oder in neuerer Zeit auch industriell genutzt.

Gipssteine gehören zu den bedeutendsten mineralischen Rohstoffen für die Baustoffherstellung. In Deutschland werden hierfür knapp 10 Millionen Tonnen gebraucht. Moderner Hochbau ist ohne Gipskartonplatten, Gipsfaserplatten, Gipswandbauplatten, Gipsputze oder Fließestriche auf Anhydritbasis nicht mehr vorstellbar. Unverzichtbar sind Gips oder Anhydrit auch als Abbindeverzögerer im Zement. Mengenmäßig nur wenig ins Gewicht fallen dagegen die Spezialgipse, die überwiegend als Formengips in der keramischen, pharmazeutischen und in der Lebensmittelindustrie Verwendung finden und wegen ihrer hohen Qualität weltweiten Absatz erlangen.

Die Qualitätsanforderungen bewegen sich heute auf hohem Niveau. Für die Herstellung von Baugipsen ist im Allgemeinen ein Reinheitsgrad von über 80 % Gipsgehalt erforderlich. Insbesondere auf einen möglichst geringen Gehalt gelöster Natriumsalze wird höchster Wert gelegt. Zum Erreichen dieser Qualitätsanforderungen werden heute in den Steinbrüchen und Gruben erhebliche Anstrengungen unternommen. Da in vielen Fällen Gipssteine durch Karbonate oder Tone verunreinigt sind, muss nach dem Brechen nicht selten abgesiebt werden. Das Fördergut wird nun den Verarbeitungseinrichtungen zugeführt. Zunächst wird kalziniert, d.h. entwässert. An sich ist für das Brennen von Gips kein sehr hoher Energieaufwand erforderlich. Schwieriger wird es jedoch, wenn neben Stuckgips auch noch andere, so genannte Mehrphasen-Gipse hergestellt werden müssen.

Die deutsche Gipsindustrie kann heute für die Herstellung ihrer Produkte auf eine Vielzahl synthetischer und natürlicher Gipsrohstoffe zurückgreifen. An erster Stelle steht dabei im Augenblick der Gips aus Rauchgas-Entschwefelungsanlagen (REA-Gips) aus mit Stein- oder Braunkohle befeuerten Kraftwerken. In einem komplizierten Verfahren wird dabei dem Rauchgas das Schwefeldioxid entzogen und unter Einsatz von Kalkstein zu Gips umgewandelt.

Wirtschaftlich bedeutende hochwertige Naturgips- und Anhydritgesteine gibt es in Süddeutschland nur im Mittleren Keuper (ca. 215 Millionen Jahre). Der „Grundgips“ besitzt Reinheitsgrade von 84 bis 98 % Gipsgehalt und ist damit stellenweise sogar für die Produktion von Spezialgipsen geeignet. Neben den störenden Karbonaten treten Tonminerale oder lösliche Salze als Nebengemengteile stark in den Hintergrund. Die hohe Qualität der Keupersulfate führt jedoch selbst bei geringer Mächtigkeit von nur 6 bis 11 m dazu, dass entlang der Keuperschichtstufe zwischen Nordfranken und der Schweizer Grenze in manchen Regionen zahlreiche Steinbrüche dicht nebeneinander im Abbau stehen.

Tiefer im Berg liegt das Gipslager in anhydritischer Ausbildung vor. Deshalb wird es auch an wenigen Stellen unter Tage abgebaut und für neuere Anhydrit-Anwendungen genutzt. Bei untertägigem Abbau kommen speziell für diesen Zweck entwickelte Fahrzeuge zum Einsatz. Die Stollensysteme für den Örter-Festen-Bau werden ebenfalls mit Bohr- und Sprengarbeit in den Berg vorgetrieben. Je nach Ausbildung der Lagerstätte (Mächtigkeit, Standfestigkeit des Gebirges) und Gewicht des Deckgebirges sind die Festen sehr unterschiedlich in Umriss und Dimension ausgelegt. Das anfallende Sulfatgestein wird, aus offenem oder untertägigen Abbau, häufig vor Ort in einer festen oder einer mobilen Brechanlage zerkleinert und zu den Weiterverarbeitungsstätten transportiert.

Im Mittleren Muschelkalk (ca. 225 Millionen Jahre) Süd- und Norddeutschlands wird nur selten Gips abgebaut. Und wenn doch, dann wegen der hohen Überdeckung ausschließlich in Grubenbetrieben. Die grauen Rohsteine verfügen über einen geringen Reinheitsgrad und können daher nur bedingt verwendet werden – zumeist als Zumischung zu Gipsprodukten und als Zementzuschlagsstoff. Gipssteine des Oberen Buntsandsteins (ca. 235 Millionen Jahre) in Norddeutschland haben wegen unzureichender Qualität derzeit keine wirtschaftliche Bedeutung.

Die größten Gipslagerstätten in Deutschland gibt es im Zechstein (ca. 250 Millionen Jahre) Niedersachsens, Thüringens und Nordhessens; insbesondere am Süd- und Westharzrand in drei verschiedenen geologischen Schichteinheiten. Die Rohstoffe hier sind von grundsätzlich hoher Qualität mit Reinheitsgraden von über 90 % Gipsgehalt; die gewinnbaren Mächtigkeiten von 15 bis 70 m gewährleisten Lagerstätten mit großen Vorräten. Nicht zuletzt deshalb produziert hier traditionell die Gipsindustrie im Raum Nordhausen, Walkenried, Osterode und Stadtoldendorf.